Amazon.de Rezension
Zu Beginn ein Bekenntnis, das Eingeständnis eines Fehlers: Kurt, der Ich-Erzähler, wirft sich vor, dass er nicht in das von Onkel Georg, dem "Großonkel eigentlich", geerbte Haus im kärntnerischen Landskron hätte einziehen sollen. Der erste Eindruck stimmt: Kurt leidet. Selbstvorwürfe und Unbewältigtes durchziehen das Buch wie einen roten Faden. "Meine Verwandtschaft ist eine einzige gegen mich gerichtete Infektion", beklagt er sich. "Unfähigkeit jeder Art", darin habe er Übung. Das Haus am See erweist sich für Kurt als unsicherer Zufluchtsort, die "herausgestorbenen" Vorgänger sind präsenter denn je.
Eines der Zimmer im Haus ist Ludwigs Zimmer, ein geheimnisvoller, verbotener Raum, in den Kurt nun -- endlich -- eindringen kann. Auch Inge, deren Geschichte auf rätselhafte Weise mit Ludwigs Zimmer verknüpft ist, verschafft sich bald Zutritt, kommt und geht, lebt sich ein. Lange hat sie auf diesen Moment gewartet. Kurt ist interessiert: "es war das erste Mal immerhin, dass ich an etwas nicht schuld war von vornherein". Allmählich teilt sie mit Kurt auch ihre Erinnerungen: an Geschehnisse, die von den abweisenden Nachbarn mehr angedeutet als benannt werden, an Ludwig, von dem scheinbar nur der Name des Zimmers geblieben ist.
Die Wendung des Romans vom Existentialistischen hin zur belasteten Vergangenheit vollzieht sich fast unbemerkt. Sensibel baut Hotschnig eine Spannung auf, die eine solche Spurensuche plausibel, ja notwendig erscheinen lässt. Immer wieder wird dieser Versuch einer Annäherung, der auch ein Selbstfindungsprozess ist, von Träumen als einer Art zweiter Reflexionsebene durchbrochen. Eine sehr präzise und doch sparsame Sprache führt den Leser dabei in eine düstere, morbide Welt voller Sehnsucht und Schuld.
Die Radikalität und der Rhythmus seiner Sprache erinnert an Thomas Bernhard, aber auch Kafka hat in diesem in alter Rechtschreibung geschriebenen Roman deutliche Spuren hinterlassen. Bruchstückhaft und assoziativ reiht Hotschnig Traumata und Albträume, Reflexionen und Beobachtungen aneinander. Lange musste sich seine Leserschaft gedulden, dafür wird sie jetzt reich entschädigt: Hotschnig hat einen wunderbaren, dichten Roman geschrieben. --Christian Recht
Kurzbeschreibung
"Ich hätte die Erbschaft nicht antreten dürfen, damit fing es an, dieses Haus hat schon andere vor mir nicht glücklich gemacht, ich hätte nicht einziehen dürfen und Landskron und Villach und Kärnten überhaupt meiden müssen von Anfang an." Mit einem Haus am See erbt Kurt Weber auch die Geschichte dieses Hauses und seiner ehemaligen Bewohner, die ihn in Form von Träumen, Rätseln und Fragen an die Vergangenheit heimsucht, und als eines Tages eine alte Frau das Haus betritt und sich in einem Zimmer einschließt, in Ludwigs Zimmer, gerät Kurt unentrinnbar in den Bann ihrer Erinnerungsarbeit. Wer ist Ludwig, und was ist in diesem Haus geschehen? Alois Hotschnig erzählt in diesem Roman aus Erinnerungssplittern und Träumen, aus Beobachtungen und Dialogen in einer düsterschönen und suggestiven Sprache von Liebessehnsucht und Lieblosigkeit und vom Umgang mit Schuld, die bis in die Nazi Vergangenheit führt
Verfasserangabe:
Alois Hotschnig
Jahr:
2000
Verlag:
Köln, Kiepenheuer & Witsch
Aufsätze:
Zu diesem Aufsatz wechseln
opens in new tab
Diesen Link in neuem Tab öffnen
Mehr...
Systematik:
Suche nach dieser Systematik
DR.Z
ISBN:
3-462-02923-1
Beschreibung:
1. Aufl., 173 Seiten
Suche nach dieser Beteiligten Person
Mediengruppe:
Schöne Literatur